Das Wichtigste in Kürze:
- Es war im Jahre 1843, als eine Wandergruppe mit fremdländischen Tieren durchs Thurtal zog.
- Weil sie nicht in unserem Dorf vorbei kamen, waren die Müllheimer enttäuscht.
- Eine Gruppe von fremden Handwerksburschen baute nun ein Gerüst, das einem Elefanten glich.
- Damit zogen sie durch das Dorf und stellten es in einer Scheune auf. Sie verlangten Eintrittsgeld und Futter für das Tier.
- Als der Betrug durchschaut wurde, flohen die Burschen mit dem Geld.
- Die Leute in den Nachbardörfern lachten schadenfreudig über die Müllheimer und gaben ihnen den Übernamen „Elifanten“.
Der folgende Text stammt im Original von Richard Löhle und wurde für die Homepage leicht bearbeitet.
Die Geschichte ereignete sich im Jahre 1843. Damals zog eine Wandergruppe mit fremdländischen Tieren durch das Thurtal. Sie stellten diese Tiere in vielen Dörfern zur Schau. Darunter hatten sie auch einen Elefanten.
Die Kunde davon kam auch nach Müllheim. Die Bevölkerung freute sich schon darauf, einmal ein so riesiges Rüsseltier sehen zu können.
Aber es führte damals noch keine Brücke über die Thur. So wanderte der Elefant mit seinen Führern dem Wellenberg entlang durch das Tal. Die enttäuschten „Müllemer“ sollten also nichts von ihm sehen.
Einige Handwerksburschen hatten auf ihrer Wanderung im Dorf Unterkunft und Arbeit gefunden. Ihnen fiel nun ein, sie könnten den Müllheimern dennoch einen Elefanten zeigen. Sie hatten auf ihren Reisen schon einmal ein solches Tier gesehen. Sie wussten deshalb, wie sie es ungefähr gestalten mussten.
In der Scheune der Wirtschaft „Schöntal“ im Unterdorf bauten sie ein riesiges Elefantengerüst auf. Sie überzogen Leib und Kopf des Tieres mit grossen Tüchern. Die beweglichen, säulenförmigen Beine erstellten sie aus Weidengeflecht, das sie mit Seilen umwickelten. Stricke hielten auch den Rüssel zusammen. Er war aus biegsamen Ruten und Stroh gestaltet.
Das künstliche Tier war so gestaltet, dass sich Männer im Innern verstecken konnten. Dank ihnen konnte es vorwärtsschreiten. Es konnte auch mit dem Rüssel Lebensmittel und Getränke, die ihm dargeboten wurden, ins Maul befördern.
Als der künstliche Elefant fertig erstellt war, verliess er die Schöntalscheune. Er wurde von einem Führer geleitet, der mit einer Peitsche bewaffnet war. Er marschierte auf der Strasse das Dorf hinauf bis zum Gasthof „zum Goldenen Löwen“. Damals hiess es „Hotel du Lion d’or“. Daneben stand die zu jener Zeit grösste Scheune Müllheims. Darin fanden der Elefant und seine Begleiter die geeignete Unterkunft.

Dort hatte es auch genug Platz für das Publikum, das sich schon bald einfand, um das grosse, seltsame Tier anzustaunen. Vor der Eingangstür stand ein zu den Wandergesellen gehörender Mann. Er forderte von jedem Besucher einen Batzen als Eintrittsgeld.
Vom nahen Schulhaus kam auch Lehrer Wellauer mit seiner Schülerschar. Er wollte die rare Gelegenheit, einmal Anschauungsunterricht zu halten, nicht verpassen.
Brotlaibe und volle Weinflaschen wurden dem „zahmen Tier“ gereicht. Es ergriff sie mit dem Rüssel und schob sie in seinen Mund. Ein Mann nahm eine Stange und mass damit die Höhe des Elefanten. Es wurde gefragt, warum das Tier mit Tüchern bekleidet sei. Der Führer erklärte, der Elefant stamme aus Indien und ertrage darum die Kälte nicht.
Er wies auch darauf hin, dass das Tier lichtscheu sei. Er bat darum, die Laterne, die an der Wand hing, zu entfernen. Er fürchtete nämlich, dass deren Licht durch die dünnen Gewebe schimmern könnte.
Nun wurden aber doch verschiedene Leute misstrauisch. Bevor die Lampe abgehängt war, bemerkten einige, dass sich unter den Tüchern kein echter Elefant befand. Sie drangen auf das künstliche Tier ein. Den Handwerksburschen blieb nichts anderes übrig, als möglichst rasch hinaus zu schlüpfen. Sie flohen durch eine Hintertüre aus der Scheune.
Trotzdem war ihr Vorhaben gelungen. Sie waren zu reichlich Speise und Trank gekommen und konnten ein ansehnliches Eintrittsgeld unter sich teilen.
Die Müllheimer aber wurden von den Einwohnern der Nachbargemeinden geneckt, weil sie sich so hatten erwischen lassen. Auch in der weiteren Umgebung im Thurgau liess der Übername „Elifanten“ nicht lange auf sich warten. Alte Bürger ertrugen es noch lange Zeit nicht, dass man sie so nannte. Man konnte sie mit diesem „Elifanten“ ordentlich erzürnen.
Die jüngeren Generationen lachten selber über ihren Übernamen. Unterdessen hatten sie gelernt, dass Elefanten intelligente Tiere sind. Sie werden nicht nur als Zirkustiere eingesetzt. In ihrer Heimat sind sie als Arbeitstiere sehr nützlich und wertvoll. Es bedeutet somit keine Schande, mit dem Namen dieser imposanten Geschöpfe bedacht zu werden.
Zum Zeitungsartikel „Ein Elefant mitten im Dorf“
Hier finden Sie einige Gedanken zur Geschichte