12. Die Baugeschichte bis zum Jahre 1800

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der älteste Siedlungskern lag in der Umgebung der heutigen evangelischen Kirche, welche das älteste erhaltene Gebäude Müllheims ist.
  • Nebst andern Gebäuden wurden der Kehlhof, die „Wassermüli“ (heute Haus zur Säge) und die „Telle“ in Urkunden des 14. Jahrhunderts genannt.
  • Das Dorf entwickelte sich entlang des Dorfbaches in südwestlicher Richtung, in drei deutlich erkennbaren Zonen.
  • Weitere erhaltene Gebäude, die schon vor 1700 erwähnt wurden, sind folgende:
    • Maltbach (1452)
    • Weingarten (1608)
    • Alte Gerbe (1621)
    • Kreuzlingerstrasse Nr. 42 (1643)
    • Adlerstrasse Nr. 5 (1660)

Der älteste Dorfkern: Kirche, „oberes Schulhaus“, Kehlhof, Säge

Der allemannische Dorfkern lag im Gebiet «Rütti», das heisst bei der evangelischen Kirche. Dieser älteste Dorfteil wird dominiert von der etwas erhöht stehenden Kirche, daran schliessen sich «oberes Schulhaus» und Kehlhof in einer Reihe an.

1. Über die Kirche

wird im Kapitel 14. «Kirchen und Pfarrhäuser» berichtet.

2. Über das obere Schulhaus

wird im Kapitel 20. «Schulgemeinden und Schulhäuser» berichtet.

3. Über das Haus Kreuzlingerstr. 43

wird im Kapitel 17. «Vier Gedenkstätten» berichtet.

4. Der Kehlhof

  • ist nach der Kirche das älteste erhaltene Gebäude Müllheims. Erstmals erwähnt in Dokumenten wurde er 1518.
  • «Die Reichenau besass seit alter Zeit im Oberdorf den Kehlhof, den der Cellarius bewirtschaftete. Es sollen ursprünglich über 100 Jucharten Land und etliche Spycher dazu gehört haben. 1518 waren es zu Hof und Scheune 40 Jucharten Ackerfeld in den drei Zelgen, 5 Mannsmad Heuwachs  und 14 Jucharten Wald
  • Die Scheune diente als Abgabestelle für den Zehnten und enthielt eine Trotte.
  • Ein Kachelofen von 1793 wurde vor kurzem abgebrochen, die Jahreszahl 1866 steht auf der Wohnungstreppe.
  • Um 1910 wurde eine Bäckerei eingerichtet, sie war bis vor wenigen Jahrzehnten in Betrieb.

Kehlhof

5. Die Säge

  • steht dort, wo ursprünglich die «Wassermülli» durch den Tobelbach angetrieben wurde.
  • Joachim Müller besitzt nach 1780 die Gebäude zwischen Kehlhof und Dorfbach.
  • Um 1817 werden 3 Gebäude aufgeführt: „1. Wohnhaus/Mülli und Sägen, aus Riegel und Stein, in der Tellen, Schatzung 3000 Franken. 2. Waschhaus, aus Stein und Riegel, bei der Mülli, Schatzung 50 Franken. 3. Hanfreibi und neue Sägen, aus Holz, in der Tellen bei der Mühle, Schatzung 1840 Franken.»
  • Bei einer Renovation traten am Türstützbalken Einkerbungen zutage, die das Jahr 1844 angeben. Damals muss ein Umbau stattgefunden haben.
  • Um 1900 werden die Immobilien in einem Inventar aufgeführt: Wohnhaus, Säge, Dampfkesselhaus, darin Dampfkessel und Maschine, Lattenfräse und Vorgelege, Bauholzfräse, Wellgatter mit Welle und Schwungrad, eine kleine Fräse, Schärfmaschine, Wasserrad und Transmission, Sägegatter mit Sägewagen.
  • Die Primarschulgemeinde kaufte am 19.5.1925 die Gesamtliegenschaft an einer Gant für 35’500 Franken.
  • Für die Schule wie auch für den Turnverein wurde ein „Turnschopf“ angebaut, der inzwischen wieder verschwunden ist.

6. Die Telle

Dort, wo sich der Ursprung des Dorfes befindet, steht heute noch die Baugruppe «Telle» (heute Hintermühle Nr. 3).

In einer Liste der Einkünfte der Konstanzer Dompropstei von 1359 erscheint auch ein «Welti in der Tellen». Die Häuser, die heute noch diesen Namen tragen, sind von «behäbig-stämmiger Gestalt», der Kern des einen Gebäudes stammt wohl noch aus dem 16. Jahrhundert.

 

Die ältesten drei Dorfteile

Zum ersten Dorfteil gehören auch die Bauten beitseits der Kreuzlingerstrasse. Es stehen dort markante, traufständige Fachwerkbauten des 17. – 19. Jahrhunderts.

Die Siedlung entwickelte sich vom ersten Dorfkern aus in westlicher Richtung, dem Bach und der Strasse entlang entlang.

«Weitgehend intakt geblieben bezüglich Bausubstanz und Zwischenbereichen sind das Gebiet Gasse/Häggliweg/Rosengasse und das Unterdorf. Es sind die bäuerlichen Ortsteile am Rand der ursprünglichen Dorfanlage. Ihr hauptsächlicher Gebäudetypus ist der Mehrzweck- bau mit Wohnteil, Tenn und Stall. Die meist Ost-West ausgerichteten Gebäude säumen dicht den Strassenraum. Die Rosengasse zeigt besonders schön die Gebäudezeilen

Der dritte ursprüngliche Dorfteil bildet das „Unterdorf“, im Gebiet der Adlerstrasse.

 

Erhaltene Gebäude mit alten Hinweisen (vor 1800)

Nebst den schon erwähnten Gebäuden existieren bei den folgenden ebenfalls Hinweise auf die Zeit vor 1800:

1. Der Maltbach.

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  • Im Urbar von 1552 steht: „Das Erbgut Nr.9 ist die müli zu Marpach, Inhaber Thoman Müller’s Erben“.
  • Besitzer ist 1639 „Hans Kessler, der Waibel. Er ist Müller, hat auch noch Reben „in der Wüesti“ und bezahlt Kirchensteuer.
  • Aus einem spätern Dokument: „Die Mühle zu Maltbach ist 1686 zu bauen bewilligt worden und Hans Jacob Wuhrmann von Müllheim hat sie 1719 zu Lehen erhalten“.
  • Hans Jakob Herzog, von Bühren, übernimmt 1792 die Mühle für 9000 Gulden.
  • „Am 26.1.1794 wurde das Mühlrecht mit Säge, Bleuel, Loostampfi und die Bewilligung zu einem zweiten Mahlhaufen erteilt“.
  • Es ist anzunehmen, dass die Jahreszahl 1815 an der Eingangstüre das Datum einer umfassenden Umgestaltung angibt.
  • 1817 bestand das Anwesen laut Brandkataster aus „einem Wohnhaus mit Mühle und Säge, einem Waschhaus, einer Scheune mit Presse und einer Reibe mit Beinmühle“.
  • Teile der alten Müllereinrichtung haben sich noch im länglichen Giebeldachanbau mit einem gemauerten, stollenartig angelegten Mauersockel erhalten.
  • Regelmässig gemahlen wurde offenbar bis 1923, nachher verlegte sich die Tätigkeit zur Hauptsache auf die Sägerei, später auf die Landwirtschaft.

2. Der Weingarten

  • Die Reichenau besass von altersher in Müllheim einen Hof mit einem grösseren Rebberg. Der Inhaber des Gutes im Weingarten hatte am 19.5.1608 ein Treffen mit dem Amtsmann auf der Reichenau.
  • Zur Hauptsache bestand der Wert des Gutes aus einem Weinberg. 1684 waren 3 Jucharten mit Reben bepflanzt.
  • Die Verleihung des Weingartens verursachte in der Folge dem Kloster Reichenau viel Umtriebe. Der erste Lehensträger musste es verpfänden lassen. Seinem Sohn ging es nicht viel besser:“ … wegen eingefallener Fehljahre blieb das Kapital, in Abgang der nötigen Mittel, unausgelöst stehen …“
  • Dem Übernehmer der Konkursmasse und dessen Sohn gelang es ebenfalls nicht, aus den Schulden zu kommen. Es gab gar Streit mit den Müllheimer Bürgern, da diese einen Teil der Leistungen übernehmen sollten.
  • Um 1780 gehörten folgende Gebäulichkeiten zum Hof: „Haus Nr. 98, Scheuer und Trotten, Speicher und Waschhaus“.
  • 1972 kaufte Hans Ulrich Meyle das Haus für 7000 Gulden, er war bis 1811der Besitzer.
  • Ab 1850 bis vor einigen Jahrzehnten war der Weingarten ein Gasthaus.

3.  Die alte Gerbe

Die alte Gerbe trägt in einem Gefach die gemalte Jahreszahl 1621. Sie wurde 1790 als Torkel mit angebautem Haus registriert und war Lehen des Klosters Feldbach.

4. Das Haus Kreuzlingerstrasse Nr. 42

Das Haus an der Kreuzlingerstrasse Nr. 42, direkt der Verenakirche gegenüber, war ein Pfarrhaus. Schon 1643 bewohnte es ein evangelischer Prädikant. Es wurde 1693 und dann wieder 1756 repariert und reoviert. 1790 wurde es als evangelischer Pfarrhof samt Garten registriert.

5. Das Haus Adlerstrasse Nr.5

  • Gesamtform 17./18. Jahrhundert.
  • Im Keller Säule mit der Jahreszahl 1660.
  • Laut Brandkataster war das Gebäude 1817 ein Wohnhaus.
  • 1821 wurde das Ökonomiegebäude angebaut.
  • 1931/32 trat der heutige Flachdachanbau als Werkstatt und Waschküche an die Stelle eines alten Schopfes.
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