Artikel aus vom 28. Juni 1985 aus dem Thurtalanzeiger
he. Seit diesem Frühling ist die Ostseite im Chorraum der 1978 bis 1983 innen und aussen renovierten Kirche St. Verena geschmückt mit dem grossen Wandkreuz, gestaltet von Viktor Leugger, Tägerwilen. Wer die evangelische Kirche von Westen her betritt, gewahrt zunächst die Umrisse eines gewichtigen Holzkreuzes: vier rechteckige Tafeln aus Lindenholz gruppieren sich um einen gerundeten Holzkern, zusammengehalten durch zwei ebenfalls kreuzförmig verbundene schmiedeeiserne Streben. Der Ton der Holzblöcke aus dem Müllheimer Wald entspricht wohltuend dem Hellbraun der Bankreihen und der Kanzel, und das schwarze Eisen wiederholt nach Material und Form die Strenge und Zuverlässigkeit der Stützen am Abendmahlstisch; ganz in der Nähe erhebt sich ein mannshoher, dreiflammiger Kerzenleuchter aus Schmiedeeisen.
Das flächige Kreuz wirkt auf den Betrachter einladend und sammelnd. Einzelheiten enthüllen sich erst dem, der näher tritt. Die vier grossen Tafeln tragen einem gleichsam das Herz des Ganzen entgegen, das runde-Christussymbol der Mitte. Folgerichtig zeigen sich auf den Tafeln die altkirchlichen Sinnzeichen der Urzeugen, der vier Evangelisten: Matthäus-Engel, Markus-Löwe, Lukas-Stier, Johannes-Adler. Das Holz wurde mit einer Technik unsrer Zeit bearbeitet – der heisse Sandstrahl furchte Schattentäler zwischen den härteren Jahrringen aus und holt so eine lebendige Landschaft aus dem Holz. Auch die Reliefs der Evangelistensymbole wurden sandgestrahlt.
Auf einfache und ikonenhafte Art birgt das Kreuz eine Fülle von Glaubenszeichen für alle, die sich im Gotteshaus zu Sammlung und Anbetung rufen lassen. Leise, doch eindrücklich spricht es vom Geheimnis der Zeugenschaft, an dem alles Geschaffene Anteil hat. Nach und hinter den ersten Zeugen ist das Gottesvolk aller vier Himmelsrichtungen berufen, Christus hinauszutragen. Christlicher Glaube bleibt nicht abstrakt und nebelhaft – er wird durch die Jahrringe der Zeiten und Risse und Furchen des Lebens greifbar.